Die Kommunistin Johanna Melzer hat in der regionalen Geschichte des Widerstands gegen die nationalsozialistische Diktatur einen festen Platz. Als Leitungsmitglied des KPD-Bezirks für das Ruhrgebiet nahm sie eine zentrale Funktion in der Partei ein. Melzer wuchs in der Kolonie Rünthe-Süd auf und wurde hier durch die Ereignisse der damaligen Zeit politisiert. Am Ort ihrer Kindheit und Jugend ist die Erinnerung an die kommunistische Widerstandskämpferin im Laufe der Jahrzehnte verblasst.
Geboren wurde Johanna Melzer am 4. August 1904 im Kreis Waldenburg in Schlesien. Mit ihren Eltern und ihren beiden Schwestern Gertrud und Klara kam sie um 1910 nach Rünthe, wo die Familie im oberen Teil der Schlägelstraße wohnte. Die Melzers gehörten zu den ersten Bewohnern der Kolonie Rünthe-Süd. Vater Karl und Mutter Emma engagierten sich in der Arbeiterbewegung und waren ab 1906 in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands organisiert. In Rünthe-Süd war Emma Melzer als die „Rote Emma“ bekannt.
Tochter Johanna besuchte die örtliche Volksschule und galt als sehr intelligentes Mädchen. Deshalb ermöglichten ihr die Eltern den Besuch der Handelsschule in Hamm, was zur damaligen Zeit für das Kind einer einfachen Arbeiterfamilie nicht selbstverständlich war. Nach der Schulausbildung war sie beim Amt Pelkum als Sekretärin beschäftigt, einige Quellen sprechen von der Amtsnebenstelle in Rünthe. Ihren Arbeitsplatz musste sie 1919 einem Kriegsinvaliden überlassen. Durch die Umbrüche der damaligen Zeit engagierte sich die Familie Melzer zunehmend im radikalen Teil der Arbeiterbewegung. Anfang der 1920er Jahre gehörten Vater Karl und Mutter Emma zu den Gründungsmitgliedern der KPD in Rünthe, zogen jedoch bald darauf in die damals noch eigenständige Gemeinde Herringen um. Nur Tochter Gertrud, die mit Heinz Windecker verheiratet war, blieb mit den gemeinsamen Kindern Ruth, Wilfried und Hans-Dieter in Rünthe wohnen.
Im Jahre 1923 trat auch Johanna Melzer der KPD bei und machte schnell im Bezirk für das Ruhrgebiet Karriere. Nach der Machtergreifung Hitlers setze sie ihre politische Arbeit fort und sorgte für die Verbreitung illegaler Schriften. Von Juli bis Dezember 1933 wurde sie erstmals im berüchtigten Dortmunder Polizeigefängnis Steinwache inhaftiert, weil sie öffentlich die Herausgabe der Leiche des Bergarbeiterführers Albert Funk forderte, den die Nazis zuvor ermordet hatten. Seine Beisetzung in Herringen geriet mit über eintausend Trauergästen zu einer letzten großen Demonstration der Arbeiterbewegung in der Region. Im Jahr darauf wurde Johanna Melzer erneut verhaftet und saß wieder in der Steinwache ein. In der Widerstandsbewegung hatte das Gefängnis den Ruf als „Hölle Westdeutschlands“ erlangt. Auch Johanna Melzer durchlitt brutale Folter. Dass sie trotz schwerster Misshandlungen keine Parteigenossen verriet, brachte ihr unter den Mithäftlingen viel Bewunderung und den Beinamen „Eiserne Johanna“ ein. Wegen Hochverrats wurde sie 1935 von einem Gericht zu einer 15-jährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Die Alliierten befreiten sie 1945 aus der Haft. Schon im Jahr darauf war Johanna Melzer wieder für die KPD aktiv und gehörte als Abgeordnete dem ersten Landtag von Nordrhein-Westfalen an. Anfang der 1950er Jahre geriet sie ins Visier der bundesrepublikanischen Justiz, weil sie Flugblätter gegen die Re-Militarisierung Westdeutschlands veröffentlicht hatte. In der anti-kommunistischen Hysterie des aufkommenden Kalten Krieges erwirkte die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen Melzer, dem sie sich durch Flucht in die DDR entzog. Dort starb sie am 3. Oktober 1960 im Alter von 56 Jahren an einer Gehirnblutung.
Ihre Urne wurde nach Herringen überführt und in der Familiengrabstätte der Eheleute Melzer beigesetzt. Auf dem Friedhof erinnert seit ein paar Jahren eine Gedenktafel an die „Eiserne Johanna“. In Dortmund ist der Widerstandskämpferin unweit des früheren Polizeigefängnisses die Johanna-Melzer-Straße gewidmet. Unter Historikern gilt Johanna Melzer als Symbolfigur für den proletarischen Frauenwiderstand im Ruhrgebiet. In Rünthe fand ihre Geschichte den Anfang.